Der Begriff „Minimal Residual Disease“ (MRD) wurde bisher bei Leukämien, insbesondere bei der Chronischen myeloischen Leukämie (CML), verwendet, um den Verbleib einer sehr geringen Menge, eine minimale restliche Last an bösartigen Zellen im Blut unter der Behandlung, zu bezeichnen. Eine Reihe von Leukämien haben definierte Genveränderungen, exemplarisch ist hier die CML, für die die bcr/abl Translokation für die Krankheitsentwicklung verantwortlich ist, die mit der Polymerasekettenreaktion (PCR) nachgewiesen werden können. Diese geringe Zahl an Zellen an der Nachweisgrenze kann im Krankheitsverlauf, bei Absetzen der Therapie oder Resistenz gegen die Therapie wieder zunehmen und klinisch relevant werden. Daher wird das MRD-Monitoring bei der CML routinemäßig eingesetzt.
Minimal Residual Disease bei soliden Tumoren
Bei soliden Tumoren war man ursprünglich davon ausgegangen, dass nach einer Operation weit im Gesunden, die Patientin/der Patient geheilt ist (Halstedt). Jedoch zeigte sich beim Brustkrebs, dass auch nach radikaler Brustentfernung noch Metastasen auftreten konnten. Jedoch war das radikale Vorgehen stark belastend, deshalb war es eine große Erleichterung, dass die Entfernung nur des bösartigen Knotens mit anschließender Bestrahlung ebenso gute Ergebnisse erbrachte wie das radikale Vorgehen. Dennoch traten auch hier Metastasen auf. Offenbar bleiben trotz einer erfolgreichen Krebsoperation vereinzelt lebende Tumorzellen im Körper zurück, die man als minimale Resterkrankung bezeichnen kann. Man muss davon ausgehen, dass Tumoren, sobald sie an den Blutkreislauf angeschlossen sind, einzelne Zellen in den Blutkreislauf abgeben können, oft noch vor ihrer Entdeckung. Ausgehend von dieser Hypothese wurde die adjuvante Chemotherapie entwickelt (Fisher, Bonadonna), die diese minimalen Restzellen eliminieren soll. Dadurch wurden zwar signifikante aber nur moderate Verbesserungen im Überleben erzielt. Da es zum Zeitpunkt der Entwicklung der adjuvanten Therapie keine Möglichkeit gab, die vermuteten Restzellen nachzuweisen, kann die nur moderate Verbesserung des Überlebens darauf beruht haben, dass entweder gar keine Zellen im Körper vorhanden waren (Übertherapie) oder dass die Zellen nicht ausreichend auf die Therapie ansprachen (Untertherapie). Da solide Tumore keine eindeutigen Genveränderungen aufweisen wie die Leukämien, und die Zahl der ins Blut abgegebenen Zellen sehr gering ist, ist der Nachweis mit Hilfe der PCR praktisch nicht möglich.
Um dieses Problem zu umgehen, wurde die präoperative (neoadjuvante) Chemotherapie eingeführt, um auf Grund der Tumorverkleinerung auf den Therapieerfolg schließen zu können. Unerwarteter Weise wiesen aber Brustkrebspatientinnen, deren Tumor nur wenig oder nicht auf eine Chemotherapie ansprachen, ein besseres rückfallfreies Überleben auf als Patientinnen mit Tumoren, die gut auf die neoadjuvante Chemotherapie ansprachen. Damit ist dieses Vorgehen nicht generell als Biomarker für die Therapieüberwachung geeignet.
Der MRD-Nachweis bei soliden TumorenWie erwähnt ist bei soliden Tumoren direkt nach einer abgeschlossenen Therapie die im Körper verbliebene Tumorzellmenge meist äußerst gering. Mit neuen Methoden, insbesondere durch Liquid Biopsy-Methoden der Detektion und Analyse der im Blut zirkulierenden Tumorzellen (CTCs) oder der Analyse der im Blut zirkulierenden DNA-Bruchstücke erhofft man sich die Möglichkeit einer Überwachung der Minimal Residual Disease. Zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) scheint nach gegenwärtigem Wissensstand weniger sensitiv als die Bestimmung der CETCs/CTCs mit der maintrac®-Analyse, mit der sehr wenige im Blut zirkulierende lebende Tumorzellen bestimmt werden können. Manche dieser Zellen können in einen Ruhezustand (Dormanz) übergehen, ihre Zahl ändert sich dann nicht, aber sie entziehen sich damit auch dem therapeutischen Vorgehen. Andere können durch Mutationen gegenüber Therapien resistent werden und trotz der Therapie zahlenmäßig zunehmen und zu erneuten Tumoren heranwachsen und damit einen Rückfall, ein Rezidiv, auslösen.
Dies ist vor allem den zirkulierenden Tumor-Stammzellen (cCSCs) unter den zirkulierenden Tumorzellen zuzuschreiben, die die Rezidive initiieren können.
Die klinische Bedeutung des MRD-Monitorings mit CETCs/CTCs bei Brust- und Prostatakrebs
Die Zunahme der im Blut zirkulierenden lebenden Tumorzellen ist bei den soliden Tumoren mit deutlich erhöhtem Rezidivrisiko verbunden, eine Abnahme zeigt niedriges bis sehr niedriges Rezidivrisiko an. So zeigten in einer Studie der Universität Jena Brustkrebspatientinnen mit einem Anstieg der CETCs/CTCs unter Strahlenbehandlung in den ersten beiden Folgejahren die allermeisten der überhaupt zu erwartenden Rezidive, ein fast zehnfach unterschiedliches Rezidivrisiko (Schott et al. 2024) gegenüber Patientinnen mit abfallenden Zahlen der CETCs/CTCs. Die Prostata-Karzinompatienten mit CETC-Anstieg unter Strahlenbehandlung zeigen ein ähnlich großes Hazard-Ratio, wobei die Patienten mit Absinken oder konstant niedrigen Werten der Tumorzellzahl in den ersten 4 Folgejahren überhaupt kein Rezidiv erleben mussten (Schott et al. 2025).
Die Anwendung des MRD-Monitorings
Solche persönlichen Informationen können für die Patienten eine Rolle spielen, wenn es darum geht, welche Therapien sie bevorzugen, insbesondere wenn sie, entsprechend den neuen S3-Leitlinien, in die Therapieplanung einbezogen werden. Die körperliche Belastung ist, da es sich lediglich um Blutentnahmen handelt, klein. Die Kostenerstattung durch Kassen erfolgt nur in bestimmten Fällen.